Bingenheimer Ried


Schutzstatus:
Schlagworte: 
Aue, Grünland, See, Wiese
Infrastruktur: 
Bingenheimer Ried, Naturschutzgebiet in der Wetterau.
  • 08 Jul, 2013
  • Viktoria Mader & Melanie Marx

Gebietsbeschreibung

Das Bingenheimer Ried ist eingebettet in den Auenverbund Wetterau, der das größte Landschaftsschutzgebiet (LSG) in Hessen darstellt. Mit 7400 ha umfasst dieses LSG unter anderem 25 Naturschutzgebiete und sechs FFH-Gebiete. Es stellt das erste bundesweite, großräumige Verbundsystem dar und wurde 1989 nach Jahren des ehrenamtlichen Engagements, für das die HGON den deutschen und europäischen Umweltpreis erhalten hat, als Schutzgebiet ausgewiesen.

Das Kernstück ist das Bingenheimer Ried als 85 Hektar großes Niedermoor. 1985 wurde es als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Seine Flächen gehören dem Land Hessen, der Stadt Reichelsheim, der Gemeinde Echzell, dem NABU Bingenheim und Privatbesitzern. Seit 1991 ist durch den Anstau der Gräben Wassermanagement möglich: Im Winter und Frühjahr wird das Hochwasser der Horloff zurückgehalten, so dass sich große Überflutungsflächen bilden. Im Frühsommer wird der Wasserstand dann allmählich verringert, so dass das Gebiet nach der Brutzeit trocken fällt und bis in tiefere Zonen hinein beweidet werden kann. Ganzjährig findet Rinder- und Pferdebeweidung statt. Die wechselnden Wasserstände mit ihren unterschiedlichen Vegetationstypen gehören zur Dynamik dieses Lebensraums und tragen zur Artenvielfalt bei.

Das Bingenheimer Ried ist als bedeutendes Sumpf- und Feuchtgebiet ein wichtiges Durchzugs- und Rastgebiet für Zugvögel und Wintergäste. Es beheimatet auch bei uns seltene Brutvögel, wie Kiebitz, Bekassine oder Spießente. Auch für andere Tiere, wie Amphibien oder Libellen, stellt das Ried einen besonders geeigneten Lebensraum dar. Für den Schutz von Knoblauchkröte & Co. wurde entlang der Straße ein Amphibienzaun aufgestellt, so dass die Amphibien zwischen Pfaffensee und Ried hin und her wandern können ohne überfahren zu werden.

Es gibt zwei Beobachtungstürme:

Im Osten: 50.368646, 8.886230 (Parken am besten an der Hauptstraße in Bingenheim (Ecke Raunstraße/Riedweg)
Im Westen: 50.374220, 8.878559 (Parkplatz: Am Friedhof Gettenau / Wiesengasse)

Auszug aus: Untersuchungen an der Südlichen Heidelibelle Sympetrum meridionale im und um das NSG Bingenheimer Ried (Wetteraukreis, Hessen)

Hanns-Jürgen Roland, Stefan Stübing, Thomas Sacher & Nanette Roland (Meridionale 2014)

Das NSG Bingenheimer Ried befindet sich in der östlichen Wetterau zwischen Taunus und Vogelsberg, etwa 40 km nördlich von Frankfurt am Main. Bei dem Gebiet handelt es sich um eine flache, von Auelehm überzogene Niedermoorsenke, die im Winterhalbjahr und Frühjahr regelmäßig vom Hochwasser der aus dem Vogelsberg entwässernden Horloff überflutet wird. Das Gebiet wurde 1985 als NSG gesichert. 1991 wurde mit einem gezielten Wasserstandsmanagement mit Hilfe eines regelbaren Stauwehres begonnen. Über den so gestauten Riedgraben ist das Gebiet mit der Horloff verbunden. Dieses Stauwehr ermöglicht die Nachbildung der natürlichen Wasserstandsverhältnisse: im Winterhalbjahr und Frühjahr wird das Hochwasser der Horloff im Gebiet zurückgehalten, so dass sich großflächige, flach überschwemmte Überflutungsflächen bilden. Im Frühsommer wird der Wasserstand allmählich verringert, bis das Gebiet nach Abschluss der Brutzeit fast vollständig trocken fällt. Davon ausgenommen sind einige in den letzten Jahren angelegte Tümpel, die in das Gebiet integriert sind. Damit entstehen nicht nur wichtige Rastgebiete für Watvögel und Enten, es wird so auch sichergestellt, dass das Gebiet weitgehend fischfrei bleibt. Ab Mitte der 1990er Jahre wurde mit einer Pflege-Beweidung begonnen, die heute durch zwei Rinderherden von zusammen etwa 100 Tieren und eine Gruppe Exmoor-Ponys durchgeführt wird. Die Überflutungs- und Verlandungsbereiche sind je nach Beweidungsintensität und Dauer der Überschwemmung in den Randbereichen vor allem von Großseggen Carex spec., Rohrkolben (Typha latifolia), Kalmus (Acorus calamus) und Schilf (Phragmites australis) bewachsen. Die eigentliche Fläche des NSG‘s beträgt 85 ha, durch die extensive Beweidung umliegender Flächen vergrößert sich die der Natur vorbehaltene Fläche auf 105 ha. Die flach überstauten Bereiche machen etwa knapp die Hälfte des NSG aus (ca. 40 bis zeitweise maximal 60 bis 70 ha). 2013 wurde bis in den Juli ein sehr hoher Wasserstand gehalten.

Ein Gebiet dieser Größe, das an die natürliche Wasserstandsrhythmik angebunden und weitgehend fischfrei ist, gibt es in Hessen bzw. Südwestdeutschland kein zweites Mal. Entsprechend groß ist die Bedeutung dieses Naturschutzgebietes, das für mehr als zehn Vogelarten das landesweit wichtigste Brutgebiet darstellt (z. B. für Wasserralle Rallus aquaticus, Löffel- Anas clypeata und Knäkente A. querquedula, Kiebitz Vanellus vanellus und Bekassine Gallinago gallinago, aber auch Graugans Anser anser und Bläßhuhn Fulica atra). Gleichzeitig handelt es sich mit Vorkommen von mehr als 4.000 adulten Knoblauchkröten (Pelobates fuscus; Stübing 2009), 10.000 adulten Kammmolchen (Triturus cristatus) (Roland 2009, unveröffentlichte Beobachtungen) und zeitweise bis 1.000 rufenden Laubfröschen (Hyla arborea; Stübing 2013 unveröffentlichte Beobachtungen) um den wichtigsten Lebensraum für Amphibien in Hessen. Vor diesem Hintergrund überrascht die hohe Anzahl von 38 im Gebiet festgestellten Libellenarten nicht. Herausragende Bedeutung kommt dem NSG Bingenheimer Ried dabei vor allem für die Arten der Verlandungszonen und Temporärgewässer zu, darunter besonders auch einige „Klimagewinner“ wie Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus) mit geschätzten Tagesmaxima von mehr 1.000 Tieren (Stübing et al. 2009)) und Südliche Mosaikjungfer (Aeshna affinis) mit bis zu 200 revierhaltenden Männchen (Stübing et al. 2010). Selbstverständlich sind hier auch häufige Arten in großer Zahl anzutreffen, so jahrweise wechselnd bis zu mehreren 100.000 schlüpfenden Blutroten Heidelibellen (Sympetrum sanguineum).

Weitere Informationen:


Bingenheimer Ried

Sumpf-Schwertlilie ( Iris pseudacorus )

Artname (deutsch): 
Sumpf-Schwertlilie

Der wissenschaftliche Name der Gattung der Schwertlilien (Iris) stammt aus dem Altgriechischen und steht für „Regenbogen“, damit wird auf die große Vielfalt oft knalliger Blütenfarben bei diesen Gewächsen hingewiesen - im Falle der Sumpf-Schwertlilie ein sattes Gelb. Daher springen blühende Exemplare im Frühsommer oft schon von weitem ins Auge. Aber auch außerhalb dieser Zeit fällt die Pflanze durch ihre schmalen, fast 1m langen Blätter auf, auf die sich ihr deutscher Namen bezieht. Die Sumpf-Schwertlilie wächst an Gewässerrändern und ist dort oft mit anderen Arten der Röhrichte vergesellschaftet.

Südliche Heidelibelle ( Sympetrum meridionale )

Artname (deutsch): 
Südliche Heidelibelle
Englischer Artname: 
Southern Darter

Die Südliche Heidelibelle gehört zu den extrem seltenen Libellenarten in Hessen. Eigentlich ist sie im Mittelmeerraum heimisch und hat – besonders seit dem Einflugjahr 2006 – an einigen Stellen in Deutschland bodenständige Vorkommen aufgebaut. Als „Klimagewinner“ scheint sie von den wärmeren Temperaturen zu profitieren. Ihre hessische Verbreitung beschränkt sich auf wenige Gebiete, wie Kiesgrubengewässer in den Niederungen des Rhein-Main-Gebiets oder einzelne Verlandungsgewässer in der Wetterau. Denn hier findet sie sehr flache und sommerwarme Stillgewässer.

Über diese schwer zu bestimmende Libellenart ist in Hessen noch wenig bekannt. Aus diesem Grund wurde von Libellenforschern im Jahr 2013 ein „Markierungsprojekt“ durchgeführt. Durch das Wiedererkennen und das Ablesen einer markierten Libelle können wir ihr Ausbreitungsverhalten und ihre Überlebensrate untersuchen.

Mehr Informationen über diese sehr interessante Tiergruppe: www.libellen-hessen.de/

Weißstorch ( Ciconia ciconia )

Artname (deutsch): 
Weißstorch
Englischer Artname: 
White Stork

Früher war der Weißstorch in Hessen fast ausgestorben. Erfreulicherweise haben sich die Bestände seit Mitte der 1990er Jahre wieder erholt, so dass heute etwa 150 Paare in Hessen brüten. Verbreitungsschwerpunkte sind dabei das Hessische Ried und die Wetterau. Neben intensiven Bemühungen zum Schutz der Lebensräume wurden gezielt Artenhilfsmaßnahmen durchgeführt, wie die Entschärfung gefährlicher Strommasten und das Aufstellen von Storchenplattformen. Ganz entscheidend für die positive Entwicklung des Weißstorchs in Hessen war aber auch die Verkürzung der Zugwege westziehender Störche, denn ein Großteil von ihnen überwintert nicht mehr in Westafrika, sondern in Spanien. Dadurch ist die Rückkehrrate unserer Störche höher. Im Bingenheimer Ried wurden die ersten Storchenplattformen schon 1976 aufgestellt. 1993 hat der erste Storch wieder im Ried gebrütet, heute sind es sieben Paare. Jedes Jahre werden die Horste per Hubsteiger kontrolliert und die Küken beringt. So weiß man im nächsten Jahr, ob eines der hier geschlüpften Küken ins Gebiet zurückkehrt und erfolgreich brütet.

Löffelente ( Anas clypeata )

Artname (deutsch): 
Löffelente
Englischer Artname: 
Northern Shoveler

Die Familienverbände bestehen nur aus Weibchen und Jungvögeln, sind unscheinbar gefärbt und ähneln beim ersten Blick Stockenten. Doch die Löffelente ist immer leicht an ihrem großen, löffelähnlichen Schnabel zu erkennen, mit dem sie die Gewässeroberfläche nach tierischer und pflanzlicher Nahrung aller Art durchseiht. Junge führende Weibchen können ein ausgeprägtes Verteidigungsverhalten an den Tag legen: Sie können ihre Jungen sogar erfolgreich gegen Graureiher verteidigten.

In den letzten Jahren sind Löffelenten zunehmend auch im Winter zu sehen, was als Folge der Klimaerwärmung gedeutet werden kann. Die Löffelente brütet gern an flachen, nährstoffreichen Stillgewässern, bevorzugt dabei jedoch im Gegensatz zu den meisten anderen seltenen Entenarten in Hessen überschwemmtes oder überstautes Grünland in weiträumig offener Landschaft. Da solche Bereiche sehr selten sind, ist sie eine der seltensten Entenarten in Hessen. Regelmäßig werden nur das Bingenheimer Ried in der Wetterau, der Rhäden von Obersuhl in Hersfeld-Rotenburg und die Aartalsperre im Lahn-Dill-Kreis besiedelt, wobei es sich im letzten Fall um ein für diese Art eher untypisches Gebiet handelt. Nur in Ausnahmefällen kommt es in Hessen zu einer größeren Anzahl an Bruten, wie zum Beispiel 1991, als hier im Ried 17 Reviere registriert wurden.

Kiebitz ( Vanellus vanellus )

Artname (deutsch): 
Kiebitz
Englischer Artname: 
Lapwing

Heute ist der Kiebitz bei uns vom Aussterben bedroht, früher war er dagegen weitverbreitet. Von etwa 2000 Brutpaaren Ende der 1980er ist der Bestand in den 1990er auf unter 300 Paare eingebrochen. Ursachen hierfür sind die intensive Landwirtschaft, z. B. durch Trockenlegung, oder die Bejagung in den südfranzösischen Überwinterungsgebieten. Durch Hilfsmaßnahmen wird versucht, den Schlupferfolg der Kiebitze zu erhöhen. Die nassen Grünlandflächen in der Wetterau werden extensiv beweidet, um so wieder einen „kiebitzfreundlichen“ Lebensraum zu schaffen. Problematisch sind außerdem Bodenprädatoren, wie Fuchs oder Waschbär, denn sie erbeuten Eier und Jungvögel. Und das obwohl Kiebitze Reviereindringlingen von hinten kommend sehr nah auffliegen, ihnen quasi über die Schulter gucken – angelehnt an „kiebitzen“ im Sinne von „abgucken“. Dazu werden laute, schrille ki-witt Rufe ausgestoßen. Besonders beeindruckend sind auch die akrobatischen Balzflüge. An seinen breiten schwarz-weißen Flügeln, die an „Bratpfannen“ erinnern, kann der Kiebitz schon aus der Ferne gut erkannt werden („Lapwing“).

Blaukehlchen ( Luscinia svecica )

Artname (deutsch): 
Blaukehlchen
Englischer Artname: 
Bluethroat

Die Ausbreitung des Blaukehlchens in Hessen gleicht einer Erfolgsstory: Während in Hessen über lange Zeiträume hinweg maximal 50 Paare registriert wurden, explodierten die Bestände in den 1990er Jahren. Durch eine Kombination günstiger und hoher Wasserstände in den Rheinauen konnten nach und nach Altauen, aber auch feuchte Bereiche der angrenzenden Agrarlandschaft besiedelt werden, wie schilfbewachsene Gräben oder feuchte Senken in Rapsfeldern. Heute gibt es etwa 600 bis 700 Brutpaare in Hessen. Wichtige Gebiete dabei sind NSG Kühkopf-Knoblochsaue, das Hessische Ried und die Horloffaue.

Beobachtungstipp: Den Gesang hört man in geeigneten Gebieten vor allem in der Dämmerung kurz vor oder nach Sonnenuntergang. Am besten zu Beginn der Balzperiode (Ende März bis Mitte April) vormittags oder vor Sonnenuntergang Singwarten im Schilf beobachten.